Eigentlich hatte ich den Überlandflug, den ein Segelflugschüler in der Regel als letzten Ausbildungsabschnitt unmittelbar vor der praktischen Prüfung absolvieren muss, für 2020 schon fast abgeschrieben: Die eher mäßigen Thermikbedingungen am Wochenende des 5. und 6. September ließen weder die 100km mit Fluglehrer (Günter und ich hatten samstags den Duo Discus schon ausgeräumt und fertig gemacht) noch einen Alleinflug nach Traben-Trarbach (auf den ich mich dann anschließend für den Sonntag mental eingestellt hatte) zu, und auch die Wetterprognose auf SkySight für die kommenden Wochenenden sahen nicht so rosig aus.

A propos Wetterprognose, so volatile Vorhersagen wie dieses Jahr habe ich auch noch nicht erlebt…

Aber wäre das Leben nicht lebenswert, wenn es nicht hin und wieder einige  Überraschungen parat hätte mit denen man mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht mehr gerechnet hat?

Eine solche Überraschung erreichte mich sonntags abends in Form einer E-Mail:

«Hallo Dirk, ich habe mir montags frei gehalten um den 100km-Flug zu machen. Willy würde uns schleppen, wir brauchen nur noch einen Flugleiter und einen Helfer.

Gruß

Günter»

Ich fiel aus allen Wolken (Gott sei Dank nur bildhaft). Sollte es vielleicht doch noch dieses Jahr klappen?

Die Organisation lief. Mit Alois war für Montag, 7. September ein Flugleiter gefunden, und da Jochen an diesem Tag zufällig ebenso am Platz sein wollte um den Wankel der ASH 26 warmlaufen zu lassen, hatten wir auch einen Helfer der beim Start die Fläche hält.

 

Montag, 7. September 2020

11:00h (09:00h UTC): Ich bin am Platz. Günter ist auch schon da und ist gerade dabei die Batterie seines Twingo zu laden. Wir wollen zeitig, d.h. vor 13h starten, und gemeinsam schieben wir den Duo Discus aus der Halle, machen ihn startklar, d.h. Innenraum, Bedienelemente, Funkgerät und Instrumente checken, Fallschirme und Batterien rein, Winglets aufmontieren und abkleben; finalen Rudercheck und Ausklinkprobe wollen wir am Start machen.

 

11:45h: Günter schmeißt unseren alten Deutz an, und nachdem das Seil am Duo Discus befestigt ist, knattern wir gemeinsam auf die Startbahn 21, um nachher von Willy in Richtung 03 raus geschleppt zu werden.

 

12:30h: Willy kommt mit der Tango Romeo an den Start gerollt, ich klinke das Schleppseil ein, laufe anschließend zu unserem Flugzeug, lege den Fallschirm an, setze mich vorne ins Cockpit und ziehe die Anschnallgurte fest.

Nach bereits erwähntem Rudercheck und der Ausklinkprobe legt auch Günter den Fallschirm an, klettert in den Flieger, schnallt sich an und verriegelt die Haube.

 

12:48h: Es geht los. Die Tango Romeo gibt Gas. Ich ziehe den Knüppel an den Bauch, mürrisch reagiert der Duo nach einiger Fahrt mit Verzögerung und quittiert mir dies mit Hochnäsigkeit, so dass wir etwas über dem Schleppflugzeug sind. Dann heißt es korrigieren, also nachdrücken und die Mühle in Höhe des Schleppflugzeugs ausrichten, ungefähr mittig des Horizontbildes.

Günter gibt mir währenddessen nützliche Tipps und damit die notwendige Sicherheit, um den -wie ich finde- doch recht massigen Duo Discus ordentlich im Schlepp zu halten.

 

13:00h:  Wir sind auf 1000m, klinken aus und drehen rechts ab in Kurs 180. Vorbei am Schodener Sendemast, lassen wir Saarburg und Serrig rechts liegen, fliegen dann zuerst in Richtung Mettlach und nach einem kurzen Schwenker (an alle Saarlänner, nicht nur im Grillsprech sondern auch in der Luftfahrt gebräuchlich) nach Osten wieder südlich Richtung Saarlouis.

Zwischendurch finden wir hier und da ein paar optisch vielversprechende Wolkenfelder die Bärte mit 5m und mehr Steigung vermuten lassen; aber keine dieser Wolken zieht wirklich richtig.

Wir sind jetzt auf knapp 1700m.

 

13:45h: Wir halten uns mit Ach und Krach oben. Selbst Günter (für mich der Thermik-Guru) ist ob dieser Situation etwas ratlos.

 

14:00h: Unser letzter Trumpf: Die Dillinger Hütte.

Aus Günters Erzählungen weiß ich: Thermisch geht da immer was. Also klar, ist ja auch ein Hochofen. Ihr wisst was ich meine.

Jedenfalls geht, als wir ankommen hier tatsächlich was. Also, einkreisen und zentrieren. Günter gibt mir eine Lehrstunde in der Technik des Thermikfliegens, ich versuche so gut es geht so viel wie möglich davon zu verinnerlichen und zu behalten; aber gleichzeitig bin ich auch damit beschäftigt das was Günter mir sagt entsprechend umzusetzen.

 

14:15h: Geschafft! Wir haben eine komfortable Höhe von 2300m erreicht. Ich bekomme kalte Füße, allerdings nicht aus Sorge vor einer drohenden Außenlandung, sondern weil es langsam anfängt frisch zu werden hier oben!

Und dann ist da noch das Erlebnis mit dem Falken gewesen: Der kommt aus 12:00 Uhr auf Kollisionskurs auf uns zugeflogen, ohne Anstalten zu machen auszuweichen! Ich denke: Das war’s (für den Falken), und ich sehe mich schon vor meinem inneren Auge nach der Landung die rechte Fläche von Federn und sonstigen… Resten reinigen. Aber was macht der Vogel? Gefühlte 20cm vor der Fläche bzw. zwei Hundertstel Sekunden vor dem sicheren Aufprall bremst der mit beiden Flügeln ab und schert unter der rechten Fläche durch!

Weiter geht’s im Geradeausflug in Richtung französischer Grenze nach St. Avold.  

 

15:00h: Wir haben noch einige Wolkenfelder ausnutzen können und dadurch genug Reserven um auf etwa Kurs 030 nordöstlich Richtung Kell am See den Rückflug anzutreten.

Vorbei geht’s am Keller See; wir fliegen über Mertesdorfer Müllkippe und Trierer Hafen, um anschließend Ehrang auf dem Weg in die Eifel zu queren, nachdem Günter den Vorschlag gemacht hat noch einen Abstecher nach Bitburg zu machen.

 

15:15h: Auf dem Weg nach Bitburg zeigt mir Günter den Streckenflug: Zügig auf/unter die angepeilte Wolke (zu)fliegen (Günter: «Jetzt flieg mal nicht so lahm!»), Steigung abwarten und je nach Thermikstärke/Bedarf entweder einkreisen/zentrieren oder den Bart im Geradeausflug mitnehmen (was bei einer Wolkenstraße super funktioniert, so Günter).

 

15:25h: Günter meldet uns in Bitburg an um zu erfahren ob dort Springerbetrieb ist. Der Lotse bestätigt «Negativ», und die anschließend von ihm verwendete Sprechgruppe («Günter, biss dau et?») ist wieder ein Beweis dafür, dass Günter aufgrund seiner enormen Streckenflugerfahrung regional (und mit Sicherheit auch überregional) sehr gut vernetzt ist.

 

Über Bitburg ziehen wir noch ein paar Kreise und gehen auf 2000m. Dabei fällt mir auf wie nah doch in der Vergangenheit die beiden Militärflugplätze Bitburg und Spangdahlem  nebeneinander lagen. Anschließend gehen wir auf südwestlichen Kurs in Richtung Konz-Könen.

 

15:45h:  Während des Rückfluges macht Günter den Vorschlag uns im Sektor Luxemburg Airport anzumelden und die Genehmigung zum Durchflug anzufordern. Die angenehme Stimme einer Lotsin erteilt uns die Freigabe, und so erreichen wir Trier aus Nordnordwest, überfliegen Sirzenich und die Mosel (hier melden wir uns ab aus dem Sektor Lux Airport, was wir charmant bestätigt bekommen) und gehen auf südlichen Kurs Richtung Mannebach, um anschließend den Endanflug Konz-Könen einzuleiten.

 

16:15h: Da wir über Konz-Könen noch ausreichend Höhe haben, machen wir noch ein paar Manöver bevor wir in Gegen-, Queran- und Endanflug gehen und auf der 2.1 lang landen und vor der Halle zum Stehen kommen.

Debriefing:

Mit diesem Streckenflug habe ich eine außergewöhnliche und tolle Erfahrung in meiner Segelflugkarriere gemacht, an die ich mich noch lange (und gerne) erinnern werde.

Dafür und für eure spontane Bereitschaft mir diese Erfahrung überhaupt ermöglicht zu haben, möchte ich mich ganz besonders bei euch allen bedanken, also

Alois für die Flugleitung,

Jochen für die Starthilfe,

Willy für den Spitzen F-Schlepp und

Günter für den Flug.

Ihr seid super!

Dirk Stassen   

 

Kategorien: Aero-Club